Thursday, October 9, 2008

Der Dom (The Dome)

Copyright 2007 by Stefan Bolz
Ich stehe in unter einem hohen Dom. Die Oberfläche der Wand ist glatt, schwarz, und uebersaeht mit winzig kleinen Lichtern. Wie der Nachthimmel mit Millionen von Sternen blinkt, schimmern die Lichter in der dunklen Decke und tauchen jeden Zentimeter der Kuppel in weiches Licht. Mein Ruecken ist gegen die Wand gedrueckt. Auf der anderen Seite der Kuppel, ca 300 meter enfernt, sehe ich eine Gestalt. Ich kann nicht erkennen wer es ist. Meine Arme sind seitlich ausgestreckt und, als ob durch eine magnetische Kraft, gegen die Wand gepresst. Es ist mir unmöglich, sie zu bewegen. Aus der Ferne muss es so aussehen, als ob ich entweder gekreuzigt wurde oder als ob ich denjenigen der naeher kommt, mit offenen Armen begruesse.

Die Gestalt beginnt langsam aber stetig auf mich zuzukommen. Ich spüre Liebe die wie Wellen von der Gestalt ausstrahlen. Es ist nicht so sehr ein Gefühl. Mehr eine Erfahrung, so allumfassend, dass alles andere, meine Vergangenheit, meine Gegenwart und Zukunft, meine Identität und meine Selbstachtung, alle ihren Sinn verloren haben, ohne dass jedoch Leere zurueckbleibt. Die Grenzen des "Ich" sind nicht mehr vorhanden. Tränen steigen in mir auf und laufen über meine Wangen. Stetig kommt die Figur näher. Mir ist ploetzlich bewusst, dass ich versuche mit aller Kraft meine Arme zu bewegen, sie von der Wand wegzubekommen. Mit jedem Schritt den die Gestalt  in meine Richtung macht, werden meine Versuche intensiviert. Jetzt sehe ich, dass die Figur Jesus ist. Er ist schon auf halbem Weg zu mir und je näher er kommt, desto mehr ich versuche, meine Arme zu bewegen.

Plötzlich sind sie frei, und ich schlage sie um meinen Koerper in einer Umarmung, als ob ich mich schützen wollte. In dem Moment gehen alle Lichter in der Kuppel aus. Die Tausende und Abertausende von kleinen Sternen erloeschen. Völlige Dunkelheit umhuellt mich. Ich stehe, meine Arme um meinen Körper geschlungen, in völlige Schwaerze gehüllt. Es ist vollkommen still. Ich kann nichts sehen, nichts hören. Nur Dunkelheit.

Seltsamerweise fühlt es sich tröstlich an. Kalt, suspendiert irgendwie, aber beruhigend. Aber ich kann nicht so bleiben. Ich bin gar nicht hier. Wo ist hier? Zu lange habe ich in der Dunkelheit ausgeharrt. Zu lange habe ich gehofft dass das Licht kommt.

Langsam und vorsichtig, als ob ich die Luft um mich herum nicht stoeren will, oeffne ich meine Arme. Es ist, als ob ich mein Selbst der Dunkelheit um mich herum oeffne. Als ich den Punkt erreiche, an dem meine Arme fast gestreckt sind, zieht die Magnetkraft sie zurück gegen die Wand. Der Sog ist fest und kontrolliert. Es tut jedoch ueberhaupt nicht weh. In dem Moment wo meine Arme die Oberflaeche der Wand berühren, geht das Licht wieder an. Es gibt keinen Knall, keinen Blitz.Die Lichter gehen einfach an und alles ist wieder in sanftes licht gehuellt.

Das Licht ansich ist weich. Freundlich. Fast Troestlich. Mir wird aber auch klar dass ich innerhalb der Reichweite des Lichtes keinen Platz habe um mich zu verstecken. So stehe ich da, meine Arme geöffnet und meinen Blick auf Jesus gerichtet, der nun langsam wieder in meine Richtung geht. Wellen der Liebe. Ich weine, sehe ihn nur schemenhaft und in Farben und Licht getaucht. Als er näher kommt, drehe ich meinen Kopf zur Seite. Als ob ich in einem Zahnarztstuhl sitze und, kurz bevor die Hand mit dem Bohrer meinem Mund erreicht, ich meine Kopf drehe und so versuche, das Unvermeidliche zu vermeiden.

"Bitte, komm nicht näher.” Ich flehe ihn an. "Bleib wo du bist." Die Wellen der Liebe sind überwältigend. Unendlich gross, unverständlich und völlig unüberschaubar. Er hält an, steht still. "Geh zurück", sage ich. Ich möchte so gerne meine Arme wieder von der Wand wegziehen, aber aus irgendeinem Grund tue ich es nicht. "Bleib einfach stehen und beweg dich nicht,” denke ich zu mir selbst. 
Ich schaue ihn an, 30 Meter entfernt. Traenen stroemen ueber mein Gesicht. Ich höre mich flüstern: "Nein, bitte, nein, ich bin noch nicht bereit. Ganz und gar nicht für dich bereit oder für das, was du vertrittst. Ich bin nicht bereit, ich bin nicht bereit, ich bin nicht BEREIT! "

Und in diesem Moment trenne ich die intensive Liebe von mir. Ich schiebe sie weg, zwinge sie sich zurueckzuziehen. Und plötzlich, scharf wie tausend Messer, spuere ich eine Traurigkeit, die so vollständig ist, dass es keinen Raum für irgendetwas anderes gibt.

Und so stehe ich unter den Sternen, mein Rücken gegen die Wand, die Traurigkeit wie ein Knoten in meiner Brust, unfaehig ihn hereinzulassen, unfaehig die Liebe so sein zu lassen wie sie ist.

Wie lange ich hier stehen werde weiss ich nicht.

Wie lange ist ein Moment in der Ewigkeit?

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